Man muss nur die NSA-Themenseite des Spiegel aufrufen, um sich erinnern zu lassen, was (allein!) die NSA an Aktivitäten unternimmt, das Internet (diesen riesigen Misthaufen) zu untersuchen und (Meta-)Daten zusammenzustellen. Ist es da paranoid zu spekulieren, dass auch Andere solche Aktivitäten unternehmen? Dass Google & CO Daten sammeln, auswerten und vermarkten, daran haben sich einige schon längst gewöhnt oder darauf mit Verhaltensänderungen reagiert. Dass aber nun Staaten (oder besser Mächte in Staaten) eine Datenaggregation betreiben und damit auf Grundrechten herumtrampeln, ist immer noch gewöhnungsbedürftig. Aber so ist das wohl unter Freunden…
Sascha Lobo hat es auf den Punkt gebracht: „Die fast vollständige Durchdringung der digitalen Sphäre durch Spähapparate aber hat den famosen Jahrtausendmarkt der Möglichkeiten in ein Spielfeld von Gnaden der NSA verwandelt. Denn die Überwachung ist nur Mittel zum Zweck der Kontrolle, der Machtausübung. Die vierte, digitale Kränkung der Menschheit: Was so viele für ein Instrument der Freiheit hielten, wird aufs Effektivste für das exakte Gegenteil benutzt.“ Sascha Lobo, Abschied von der Utopie: Die digitale Kränkung des Menschen. FAZ am 11. Jan. 2014.
Interessant sind die Reaktion in der eLearning-Welt, die mir begegnen. Eine bekannte Suchmaschine gibt mir bei den Stichworten „elearning NSA“ erst als 8. Treffer einen passenden, wenn auch nicht wirklich fundierten, Beitrag aus. Vorher lerne ich staunend, das es eine „National Skills Academy for Health“ gibt, die auch eLearning betreibt. Nachher auch wieder gähnende Leere. Sachdienliche Hinweise sind herzlich willkommen, doch bis dahin ziehe ich (voreilig?) den Schluß, die mögliche Überwachung von Online-Lehr-Lernaktivitäten beeindruckt die kommerziellen und nicht-kommerziellen Anbieter nicht, die doch sonst manches Detail aufgeregt miteinander diskutieren.
Gut möglich aber, dass solche Meldungen die Nutzer von Online-Angeboten beeinflussen, denen es nicht gefällt, wenn ständig jemand zuschauen könnte, wo ich eigentlich ein vertraulicher Raum des Erprobens und Lernens gesucht wird. Bis vor einiger Zeit habe ich meinen SchülerInnen und den Teilnehmenden meiner Online-Seminare erklärt, dass wir im Online-Gruppenraum unter uns sind und niemand hereinschauen könne. (Dank an Herrn Lobo für die Stichworte Naivität und Kränkung.) Natürlich interessiert es die NSA vermutlich wirklich nicht, wenn wir im Forum einer geschlossenen Gruppe z.B. über unterschiedliche Lerntypen und das eigene Lernprofil, oder ein Lernportfolio diskutieren. Denn anscheinend interessieren die Verbindungs- und Metadaten sowieso noch viel mehr:
„Wenn Kommunikationsmetadaten aufgerufen und analysiert werden, kann damit ein Profil einer Person, einschließlich des Gesundheitszustandes, politischer und religiöser Ansichten, Verbindungen, Interaktionen und Interessen, erstellt werden.“ (https://de.necessaryandproportionate.org/about)
Nutze ich also in einem geschlossenen Forum häufiger das F-Wort, oder lasse mich über Psychopharmaka aus, die meine Nachbarn nehmen, oder schildere die Bombe, auf der ich sitze, macht das möglicherweise schon Verdacht (Wer lacht, tut das ja auch…). Aber wie können mir im Weiteren zukünftig die Metadaten schaden oder nützen, die eingesammelt werden und über deren Form ich nur spekulieren kann? Vielleicht sehen sie etwa so aus: „Standort tagsüber ist X-Dorf, abends und nachts Y-Stadt, selten auch in Z-Heim, hat an Online-Seminaren teilgenommen, mit diesen anderen IP-Adressen (die sich in Personennamen auflösen lassen) kommuniziert – besonders häufig mit…, dabei hauptsächlich Nachts gearbeitet, vermutlich Protestant, schreibt in einem Blog, ist auf … als Nutzer registriert…“
Darüber nachzudenken, beeinträchtigt meine Einstellung (nicht nur) zum Lernen und Lehren in einem virtuellen Raum:
- Wäre ich bewahrpädagogisch eingestellt, müsste ich das Laptop vom Netzwerk ziehen. Oder
- Als aufgeklärter Pädagoge auf der Höhe der Zeit, könnte ich den Satz von den Inhalten, die auch die Oma gerne sieht, bemühen. Aber eigentlich muss wirklich nicht jeder mitlesen, was ich Oma auf die Geburtstagskarte schreibe. Oder
- Als aufgeklärter Staatsbürger könnte ich lächeln und darauf verweisen, dass man dass doch immer schon hätte ahnen können und warum denn jetzt solche Aufregung entsteht. Oder
- Mich auf https://de.necessaryandproportionate.org/text informieren und dort auch unterzeichnen
- Oder…
Auf jeden Fall werde ich (zumindest an diesem Punkt) aufhören, meinen SchülerInnen und anderen Unfug zu erzählen…
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