Am 12. und 13. September fand in Berlin das Barcamp mit Vorträgen #OERde14 – Die Zukunft Freier Bildungsmaterialien der Wikimedia Deutschland statt. Und ich war dabei 😉 Und es war großartig! Dank an die Macher und die Teilnehmenden!
Während der beiden Tage stellten sich für mich vier Themenbereiche heraus:
OER – Open educational Resources
OER sind eigentlich das Thema der Tagung, aber es geriet (mir jedenfalls) immer mal aus dem Blick, wer damit im Kern genau was eigentlich meint. Wortwechsel ergaben sich: „OER sind digital!“ – „Nein, sie können auch analog sein!“ – „Digital!“ und so weiter…
Andere frugen nach der Qualität von OER. Ich habe aus verschiedenen Sessions mitgenommen, dass den Materialien an sich keinerlei Qualität innewohnt – ausser ich rede über Schriftgrössen, Schärfe, Farben etc, also ehr formalen Kategorien. Ansonsten ist ein Material, das der Kollege für Müll hält, mglw. für mich das zentrale Material einer Einheit. Qualität erhalten Materialien also ehr durch intelligentes Verschlagworten/Tagging. Dann können andere einen raschen Einblick erhalten, in welchem didaktisch-methodischen Kontext das Material Verwendung finden könnte.
Zudem gab Prof. Dr. Dirk Van Damme (OECD) in seiner Keynote zum Beginn den OER eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Unterricht bzw. der Innovation von Lehr-Lernprozessen. Seine Ausführung liefen u.a. darauf hinaus, dass sich Lernen und Lehren seit hundert Jahren kaum verändert habe und das auch die sog. „Neuen Medien“ bislang kaum Einzug in den Unterricht gehalten haben. Recht hat er! Aber es bleibt bei mir der Eindruck zurück: Damit könnte die sinnvolle Diskussion um freie Materialien überfrachtet werden.
Und dann das ermutigende Beispiel des „OER Schulbuch BIOLOGIE„, das von dessen Erfindern Heiko Przyhodnik und Hans Wedenig in aller Bescheidenheit und voller Euphorie vorgestellt wird. Sie machen deutlich, wieviel Arbeit und Engagement in solch einem Lern-Lehr-Werk steckt und wie viel Spaß das machen kann. Stichworte wie „Schulbuch-Hacking“ und „Schulbuch Sprint“ lassen Ideen entstehen, nicht nur weil die Präsentation so peppig rüberkam.
Lizenzen
Buchstaben fliegen durch die Räume: SihSihSero, Namensnennung, ShareAlike, NC, OA und noch anderes. (Fast) Alle nicken wissend. Und wenn betont wird, dass NonCommercial in Deutschland nun wirklich nicht geht, wird es mitunter recht ideologisch 😉 Tatsächlich scheint die Frage, unter welcher Lizenz ein Autor sein Material weitergibt, der Knackpunkt zu sein. Einerseits wäre ein einfaches Rechtsmittel hilfreich, damit ein Autor entscheiden kann, ob und unter welchen Bedingungen sein Material, kopiert und/oder verändert und/oder weitergegeben werden kann. Andererseits sind die Interessen doch sehr unterschiedlich, nicht zuletzt weil auch z.B. Verlage sich als Player auf dem OER-Markt beteiligen wollen. Deutlich wird mir, dass CreativeCommons auf einem guten Weg ist; aber eben nicht mehr, weil schon der Lizenztext viel zu kompliziert ist. Nur gut, dass sich in der OER-Szene auch eine große Menge juristischer Sachverstand bewegt.
Policies
Nicht ganz einfach, diesen Begriff zu fassen, der sich zwischen Strategie, Politik, Prozess, Selbstverpflichtung, Auftrag und Anspruch aufspannt. Jan Neumann sagt dann aber, wie es gehen kann: „When Bottom-Up meets Top-Down„. Demnach ist eine OER-policy normativ in einem gegebenen Bezugssystem. Sie wird top-down eingeführt, ist verschriftlicht und regelt Standardsituationen. Alles ganz einfach, aber in größeren Systemen (wie z.B. der EKiR) dann doch ein ganzer Packen Arbeit, weil die Graswurzel-Bewegung OER sich erst in diesem Biotop ansiedeln muss. Zudem verdeutlicht Neumann, wie hierarchische Systeme (ich weiß, wir in der EKiR sind presbyterial-synodal) und die bottom-up-Bewegung sich treffen könnten. Dann verdeutlicht er die Topics, die eine OER-policy beantworten müsste und ich denke, dass wir da mit dem Positionspapier zu OER für die EKiR schon einen recht guten Start hingelegt haben.
Neue(?) Lernformen
Eine ständig mitlaufende Diskussion drehte sich (natürlich!) um Diadaktik und Methodik. Wie oben schon gesagt, hatte Prof. Van Damme dazu einen gewaltigen Aufschlag gemacht. Diskutiert wurde, ob OER automatisch den Unterricht verbessern? – Natürlich nicht! Ob OER automatisch multimedial, differenziert etc. sind? – Natürlich nicht! OB OER einfach digitale Nachbildungen von Büchern sind? – Hmmmm….
Letztlich kann in die Waagschale gelegt werden, dass digital (aber auch analog) vorliegende OER-Materialien eben die Anpassung, innere Differenzierung und Neuzusammenstellung von Unterrichtsmaterialien leichter machen und auf rechtlich saubereren Boden stellen. Ob das allein schon zu Unterrichtsentwicklung beiträgt? Aber es könnte die LehrerInnen verlocken, Ihre Materialien miteinander zu tauschen und zu teilen, weil sie bei Nutzung von OER-Materialien nicht zugeben müssten, hier und da vielleicht ein Urheberrecht großzügig ausgelegt zu haben. Immerhin berichtet ein Teilnehmer aus Schleswig-Hollstein, dass dort in der LehrerInnen-Ausbildung (2. Phase) ein OER-Modul verankert ist.
Und zuletzt
Viele Menschen mit vielen guten kleinen und großen Ideen, die sie voller Begeisterung miteinander teilen. Das lässt rasch vergessen, wenn doch hier und da mal Prinzipien geritten werden.
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