Schon wiederholt habe ich in der übergeordneten Behörde den Einwand gegen OER gehört, dies könne nicht funktionieren, weil die Autoren von OER keine materiellen Gratifikationen (meint in Ruhrpottdeutsch: Kohle, Moos etc.) bekämen. Also mache ich mich auf die Suche, was sich über die Motivatoren zur Produktion und Bereitstellung von OER herausfinden lässt…
Schon ein etwas älterer Artikel in diesem Blog beschäftigte sich mit Leistungsanreizen. Die Psycholgie des betreiblichen Personalwesens fand heraus, dass ein geregeltes und auskömmliches Grundgehalt ein gutes Motivationskissen ist; materielle Boni etc. könnten diese Motivation aber nicht weiter steigern: The surprising truth about what motivates us Großflächig angelegte Meta-Untersuchungen, wie z.B. die von Guzzo zeigen sogar, dass Selektion (also vermutlich Kündigungsdruck) und finanzielle Anreize keinerlei Steigerung der Produktivität zeitigen. Es muss also noch etwas anderes geben, dass erklärt, warum Menschen sich aufmachen und OER zur Verfügung stellen.
Schaue ich also weiter rum und entdecke die positive Verstärkung, die Skinner vor allem in der Tierwelt beobachtet hat. Verstärkend wirken hier vor allem primäre Reize/Bedürfnisse, wie Durst, Hunger, Sexualität. Vermeintlich beobachtbar (wo, ist nicht immer deutlich) sind aber auch positive Verstärkungen durch sekundäre (also erst erlernte) materielle Reize. Dies genau widerspräche aber den oben angedeuteten Studien und Erkenntnissen.
Etwas mehr Aufschluß bietet mal wieder e-teaching.org, die zumindest einige Faktoren für die Veröffentlichung von OER zusammenstellen:
- Es braucht eine Community – allerdings tragen erfahrungsgemäß nur ca. 10% aktiv Inhalte bei;
- Die Motivation resultiert aus der Erwartung, dass die OER von anderen genutzt, bearbeitet oder verbessert werden;
- Wertschätzung kann sichtbar werden, wenn besonders aktiven OER-ern besondere Rollen zugewiesen werden;
- Zur Aktivierung neuer OER-er müssen die verfügbaren Materialien übersichtlich dargestellt und regelmässig über neues informiert werden.
Auch das befriedigt mich noch nicht ganz – ich suche weiter!
Ich komme aber auch auf die Idee, dass Lernen und Lehren anthropologische Grundkonstanten sind. Lernen und Lehren stellt einen evolutionären Vorteil dar, der mitunter auch lusthafte Anteile haben darf. So gesehen gebiert der Erkenntnisgewinn im Lernen immer schon die Lust, das Neue auch den anderen mitzuteilen. Nicht umsonst sind deswegen die ersten Religionen auch mit Erzähltraditionen und -ritualen verbunden. Und das Judentum ist explizit eine lern- und lehrfreudige Religion, denn was die Väter getan haben, das wirkt sich bis ins siebte und siebenundsiebzigte Glied der Söhne aus….
Was motiviert zur Erstellung von OER? von Frank Wessel ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
Ob diejenigen, die Input beisteuern sollen, mit Deinen „Motivationsbeschreibungen“ zufrieden wären? Eine Motivation scheint mir die zu sein, die der wikipedia-Artikel als erstes nennt: „Auf diese Weise erhoffen sich Autoren der OER ein stärkeren Verbreitungsgrad ihrer Inhalte sowie eine damit einhergehende steigende Reputation.“ Also positives Feedback und Einfluss.
Die andere Frage, die man übergeordneten Behörden stellen könnte, wäre die, was sie denn im Sinne von 1. Tim. 5, 18 zur finanziellen Grundausstattung von OER beitragen könnten. Vielleicht rechnet es sich ja für beide Seiten.
Ich bin ja selber noch nicht fertig mit dieser Motivationsbeschreibung – kann ja nicht einmal genau sagen, warum ich dieses Blog betreibe. Deswegen bin ich für deine weiterführende Hinweise dankbar. In der Tat hatte ich ja schon in dem Artikel „The surpising truth…“ entdeckt, dass es wohl ehr um weiche Faktoren geht – und Ruhm und Ehre sind ja nicht sofort ehrenrührige Motive 😉
Den Timotheus hatte ich nicht sofort drauf: „Denn die Schrift sagt : »Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden«; und: »Ein Arbeiter ist seines Lohnes wert«.“ Da haut uns dann die Aufgabenkritik ins Kontor, nach der abgebaut werden muss und auf keinen Fall neue Ausgaben entstehen dürfen….
Wo hier schon biblisch argumentiert wird, will ich das Zitieren gerne spielfreudig weitertreiben: OER bieten auch eine Gelegenheit das Licht der eigenen Bildungsideen nicht unter den Urheberrechtsscheffel zu stellen, sondern auf den Leuchter freier Lizenzen. Mt 5,15
Damit verbunden natürlich der Anreiz der Wertschätzung. Diese zahlt sich nicht unmittelbar auch finanziell aus. Möglicherweise bieten OER auch eine nachhaltige Entwicklungsperspektive der Grundmotivation von Lernenden und Lehrenden: Weg von ressourcenverbrauchenden Produktivitätsanreizen hin zu wieder- und weiterverwendbaren Inspirationen der Lern- und Remix-Kultur.
Ich bin unsicher, ob OER uns mit Mt 5 dem Himmelreich näher bringen werden. Aber immerhin könnte die Welt ein kleines wenig gerechter werden. Im Ev. Rheinland beginnt nun auch die Diskussion um OER und ich bingespannt, ob die EKiR zu einer anderen Haltung zur UNESCO-Resolution gelangt als die Republik.
Wertschätzung ist immer gut – sagen auch die humanistischen Psychologen… Ich glaub aber, es geht um Lust: die Lust Anderen etwas zu zeigen, das Vergnügen jemandem etwas zu erklären, das Himmelreich etwas Verstandenes zu vermitteln.