Die Ev. Akademie im Rheinland lud zur Tagung ein: „Machen Neuronen Schule? – Neurowissenschaften und Pädagogik im Gespräch.“ Spannendes Thema – endlich soll mir mal jemand erklären, wie sich die Erkenntnisse aus den Neuro-Wissenschaften für meinen Unterricht wirksam machen können.
1. Aufschlag: Der Referent fasst die Forschungsansätze und einige Ergebnisse von M. Spitzer zusammen – ich bleibe ratlos…
Aber der 2. Aufschlag am folgenden Morgen lässt mich aufhorchen: Kenntnisreich und fesselnd führt Prof. Heinz Schirp uns durch seinen Ansatz von der Neurobiologie über empirische Unterrichts- und Schulstudien bis hin zu den Erkenntnissen für die Didaktik. Als Referenz verweist er u.a. auf zwei seiner Aufsätze:
– Neurowissenschaft und Lernen
– Dem Lernen auf der Spur
Immer noch nicht operationalisierbar, ich bekomme aber Ideen, in welche Richtung es gehen könnte. In der Diskussion selber fällt schon die Bemerkung, dass viele dieser Erkenntnisse, den Erkenntnissen der Reformpädagogik entsprechen.
Für mich erstaunlich dann der Return von Nicole Becker (Uni Tübingen): „Gehirnpädagogik oder Gehirn-Gespinst“. Schon der Akademiedirektor hatte in seinen einführenden Worten keinen Hehl gemacht aus seiner Skepsis angesichts der neuen „Erkenntnisse“. In dieses Argumentation stößt auch die Referentin: Die bildgebenden Verfahren der Hirnforschung sind und werden medial ausgeschlachtet, weil die Pädagogik auf diese Weise zum ersten Mal Bilder über Vorgänge des Lernens produzieren kann. Allerdings sind diese Bilder mindestens dreimal vermittelt: Techniker entwickeln Geräte, die Informationen liefern, Informatiker entwickeln Programme, die daraus Bilder produzieren und Forscher versuchen diese Bilder zu interpretieren. Mit der Rekonstruktion dieses Medienhypes der Neurowissenschaften dekonstruiert sie alle aufkommende Hoffnung, die Neurowissenschaft könne als Neurodidaktik schlüssig auf Unterrichtsmethoden verweisen.
Ein heftiger Wortbeitrags-Wechsel, den schließlich eine Teilnehmerin mit der Frage beendete, was sie denn nun am Montag in ihrem Unterricht anfangen bzw. erproben könne? Versöhnlich einigte man sich darauf, dass Neurowissenschaften und empirsche Unterrichtsforschung miteinander korrelieren; einige Erkenntnisse der Reformpädagogik könnten durch neuere Forschungsansätze eben unterstützt werden….
Und dann lese ich im Internet, das aufsehenerregende Zitat von Steve Petersen, dass ich 2003 schon einmal in der ZEIT gelesen, aber wieder vergessen hatte: „Aus der Hirnforschung, so lästert der amerikanische Neurowissenschaftler , lasse sich lediglich folgern: „Ziehen Sie Ihr Kind nicht in einem Schrank auf, lassen Sie es nicht verhungern, und schlagen Sie es nicht mit einer Bratpfanne auf den Kopf.““
Doch noch eine (nicht ganz neue) Erkenntnis über das Lernen – neuro-wissenschaftlich und auch pädagogisch fundiert: Lernen hat mit Aufmerksamkeit und Relevanz zu tun. Vorkenntnisse, wie auch ein motivierender Lehrer erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Lernen stattfinden kann…
Neurodidaktik oder: „Holt die Kinder aus dem Schrank!“ von Frank Wessel ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.